Barkendiek

DER LABRADOR

Herkunft und Zukunft

Die Vorfahren des Labrador wurden vermutlich im 13./14. Jahrhundert im Kloster St. Hubertus in den Ardennen als Jagdhunde gezüchtet. 1200 erhält der französische König "jährlich 2 schwarze Exemplare der Hunde aus St. Hubertus" als Geschenk von den Mönchen. Um 1490 schreibt der französische Senneschal, ein hochstehender Beamter des Königs, eine "Liebeserklärung" an ein weißes Exemplar namens "Souillard" der "wunderbaren Nachkommen der Hunde aus St. Hubert". 1550 war der St. Hubert’s Hound in Süd-West-England als Jagdhund weit verbreitet und diente dem Adel zur Jagd. Um 1500 gelangt er mit französischen Mönchen von der Normandie oder mit Kapitänen von der Grafschaft Devon bei Erschließung neuer Fischfanggebiete nach Neufundland auf die Fischfangstation. Dort wird er von den jagdlich und züchterisch sehr geschickten Jägern und Fischern als ‘Water Dog’ weitergezüchtet und zur Jagd auf alle reichlich vorhandenen Wildarten eingesetzt sowie zum Apportieren entkommener Fische aus kleinen Booten ausgebildet und eingesetzt (in der Fangsaison bis 10 Stunden/Tag im eiskalten Seewasser). Nach historischen Quellen aus dem Jahr 1522 angelten je 2 Fischer mit einem Hund in kleinen Booten. Die Hunde mußten die beim Einziehen der Angel entkommenden Fische lebend und unversehrt apportieren, später auch Netztaue in Position bringen.

Die Zuchtauslese verlangte vor allem Hunde
1. mittlerer Größe (kräftig genug der See zu trotzen und nicht zu groß für die Boote),
2. kurzes, wasserabweisendes Fell,
3. schwarze Farbe (wegen der besseren Sichtverhältnisse in gischtbedecktem Seewasser und Schnee),
4. Hängeohren (gegen eindringendes Wasser)
5. hohe Aufmerksamkeit (wegen entkommender Fische),
6. hohe Jagdpassion (zur Jagd in den Wintermonaten),
7. eine excellente Nase,
8. die Fähigkeit zu tauchen,
9. ausgeglichenes Wesen (wegen räumlich begrenzter Lebensverhältnisse)
10. hohe Gelehrigkeit (für eine vielseitige Ausbildung)
11. Widerstandskraft (gegen Witterungseinflüsse),
12. kurzfristige Schnelligkeit,
13. Ausdauer und unbändigen Arbeitswillen.

All diese Eigenschaften bestimmen noch heute den Rassestandard dieser intelligenten, anpassungsfähigen Hunde, deren wichtigste Merkmale das kurze, harte, wasserabweisende Fell mit Unterwolle, die kurze Otterrute und die ausgeprägten Schwimmhäute zwischen den Zehen sind.

Erst um das Jahr 1700, als die englische Krone feste Ansiedlungen auf Neufundland duldete, benötigte man zusätzlich Zughunde zum Transport von Bau- und Brennholz aus dem Hinterland. Das läßt den Schluß zu, daß die Fischer unter Einkreuzung möglicherweise des ‘Portugiesischen Pyrenäenberghundes’ portugiesischer Fangnachbarn einen zweiten Schlag züchteten, der sich zum Transport und Ziehen schwerer Lasten und zur Bewachung eignete. Aus dem kleineren, kurzhaarigen Labrador entstand der größere langhaarige Neufundländer sowie Landseer.

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckt der englische jagdbegeisterte Adel die excellenten Fähigkeiten der ‘Water Dogs’ und (re)importiert sie nach Südwest-England und Schottland. Anfang des 19. Jahrhunderts erscheint für diese importierten Hunde der Name ‘Labrador’ (erster schriftlicher Beleg eines auf einer Jagd in England geführten Labrador: 1809). Lord Malmesbury in Süd-West-England und Lord Buccleugh in Schottland führen den Labrador als Jagdhund insbesondere als Apportierspezialisten und beginnen mit der reinrassigen Nachzucht. Auf ihre Zwinger gehen alle heutigen Labradors zurück.

Der Adel baute in den folgenden Jahren eine reinrassige Zucht jagdlich geführter Labradors auf. 1887 wurde erstmals von den Züchtern in England ein Rassestandard aufgestellt. 12 Jahre später wird aus einem schwarzen Wurf der gelbe Welpe ‘Ben of Hyde’ geboren, mit dem fortan auch gelbe Schläge gezüchtet werden. 1904 erfolgte die Aufnahme des Labrador als Rassehund in den englischen Kennel Club.

Die excellenten Jagd- und Apportiereigenschaften des Labradors nutzten andere Züchter, um durch Einkreuzung englischer Jagdhunderassen (Spaniel/Setter/Pudel/etc.) weitere Schläge zu züchten. So begründet der Labrador aufgrund der jagdlichen Eigenarten in England die Jagdhundegruppe der ‘Retriever’ zu denen heute die in England entstandenen Rassen: ‘Curly Coated Retriever’ (erstmals um 1800 erwähnt, vermutlich aus Kreuzungen zwischen Labrador, Pudel, Water Spaniel, möglicherweise später Pointer und Setter, 1854 Eintragung ins Zuchtbuch Kennel Club); ‘Golden Retriever’, (1868 paart der Züchter Lord Tweedmouth einen gelben Labrador mit welligem Fell mit einem Tweed-Water-Spaniel, züchtet die Linie weiter und kreuzt einen weiteren Spaniel, zwei schwarze Labradors, einen Irish-Setter und einen sandfarbenen Bluthund ein, 1913 Eintragung ins Zuchtbuch Kennel Club); ‘Flat Coated Retriever’ (um 1850 entstanden, vermutlich aus Kreuzung von Labrador, Setter, Water-Spaniel und Sheepdog möglicherweise auch Collie, 1898 Eintragung ins Zuchtbuch Kennel Club); sowie die in Amerika entstandene Rasse: ‘Chesapeake Bay Retriever’ (Ursprung aus an gleichnamiger Küste auf einem Schiff gestrandeten 2 Labradors durch Einkreuzung dortiger Jagdhunde); und der in Kanada entstandenen Rasse: ‘Nova Scotia Duck Tolling Retriever’ (jüngste und kleinste Retriever Rasse, vermutlich aus Labrador und Einkreuzung anderer Jagdhunde, 1981 Eintragung bei der FCI).

In den folgenden Jahrzehnten besonders der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wird der Labrador zum beliebten Jagd- und Familienhund in England. Lady Howe, die ihren Zwinger auf altem Zuchtmaterial aufbaut, ist eine glühende Kämpferin für den Erhalt der Rasse und weist wehement auf die Gefahr einer Trennung von Arbeits- und Ausstellungs-/Familienhunden hin indem sie den ‘Dual Purpose’ Labrador favorisiert. Aufgrund der politischen Verhältnisse breitet sich der Labrador nur langsam und zunächst in den England nahestehenden Ländern wie Amerika, Kanada, Australien aus. Aber auch in Nord- und Westeuropa findet er mehr und mehr Anhänger.

Ebenfalls aufgrund der politischen Verhältnisse in der Vergangenheit hält der Labrador erst um 1965 seinen züchterischen Einzug in Deutschland. Hier wie in anderen Ländern wird zwar zunächst der ‘Dual Purpose’ Hund favorisiert, doch spalten sich die Labrador-Besitzer und Züchter bald in das Ausstellungs-/Familienhundlager und das Jagd-/Arbeitshundlager. Um 1970 beginnen Anhänger der Rasse in den Vereinigten Staaten erfolgreich mit seiner ‘Rettung als Jagdhund’, züchten allerdings nach einem leicht geänderten Standard geringfügig größere Hunde (2-3 cm). In Deutschland tut sich neben der Kluft zwischen Ausstellungs-/Familienhund und Jagd-/Arbeitshund eine weitere Kluft auf zwischen Jagd-/Arbeitshund und dem der Jagd nachempfundenen Sporthund. Für das Jagdgeschehen untergeordnete oder gar entgegenstehende Elemente aus dem eher sportlichen Bereich in England wie ‘Steadiness’ oder absolute ‘Lautlosigkeit’ - wie sie im übrigen nirgends im Rassestandard zu finden sind - werden in hiesigen Jagdprüfungen für Labradors und andere Retriever besonders hoch bewertet und tragen zu weiterem Unverständnis bei Jägern bei.

Nur die ‘Dual Purpose’-Hundezüchter werden langfristig in der Lage sein, alle die excellenten Eigenschaften dieses Jagdhundes ins 21. Jahrhundert zu tragen und damit der Rasse den ihr gebührenden Dienst erweisen und unseren Labis das zurückgeben, was sie uns in Jahrhunderten durch Intelligenz und Anpassungsfähigkeit ebenso wie Arbeitsfreude und Menschenfreundlichkeit für die Jagd gegeben haben. Nur diese Züchter werden in der Lage sein ohne Recentiments auf Zuchtmaterial des einen wie des anderen Lagers zurückzugreifen, gute Jagdhunde an gute Jäger und gute Familienhunde an gute Familien geben ohne den Labrador als Jagdhund aus den Augen zu verlieren. Gerade die Jagd-, Revier- und Gesellschaftsverhältnisse in Deutschland kommen diesem jagdlichen Allrounder entgegen. Wir haben in Deutschland hervorragende Jagdhunderassen. Seit Herrn Oberländer sind 100 Jahre vergangen und die Welt hat sich geändert: er muß nicht mehr ‘deutsch und drahtig’ sein sondern den Verhältnissen angepasst. Das zeichnet den Labrador aus!

 

Um der Verwirrungen Einhalt zu gebieten sei es noch einmal zusammenfassend betont:

Der Labrador ist ein Jagdhund (für jegliche Art der Jagd!) und nicht in erster Linie Retriever (dazu wurde er erst in England gemacht). Er stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Züchtungen des 14. Jhdts. des Klosters St. Hubertus in den Ardennen, mit Sicherheit aber aus Neufundland (und nicht aus dem England des 19. Jahrhunderts!) und wurde in Neufundland für die Jagd und die Wasserarbeit eingesetzt und gezüchtet. Er ist mit Sicherheit die älteste aller Retrieverrassen, denn er gab das Ausgangsmaterial aller Retriever ab und ist sozusagen deren Urahn.


Labrador Zwinger vom Barkendiek